Wie kommen Henkel und Schnäuzchen an den Glaskrug?
Wir haben einige Glaskrüge und Karaffen mit Henkeln und Ausguss in unserem Angebot. Vielleicht ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass die Henkel und Schnauze der Karaffen und Glaskrüge nicht immer ganz identisch sind, denn wie fast alle unsere Gläser werden diese Glaskrüge und Glaskaraffen mundgeblasen, der obere Rand händisch aufgetrieben, die Schnauze geformt und der Henkel von Hand angesetzt.
Aber jetzt mal von Anfang an:
Das „Köbel“ oder „Ballot“
Die Glasproduktion beginnt wie immer. Der „Kölbelmacher“ entnimmt ein wenig Glas aus dem Schmelzhafen und bläst eine kleine aber sehr exakte Glaskugel, das ist das „Kölbel“. Es ist wichtig, dass das „Kölbel“ sehr genau gearbeitet ist, es muss die richtige Größe für das geplante Glasprodukt haben und darf nicht schief sein, denn das würde sich auf das fertige Produkt auswirken. Diese kleine Glasblase wird dann durch weitere Glasentnahmen mit der Glasmacherpfeife aus dem Schmelztiegel auf ungefähr die spätere Größe angepasst.
Anschließend bläst ein Glasmacher das Glas in einer hölzernen Form fertig, dabei hängt die Glasblase mit dem oberen Teil an der Glasmacherpfeife, einem dünnen Rohr aus Metall.
Als nächstes muss die Blase aus Glas umgeheftet werden. Ein weiterer Glasmacher setzt ein Hefteisen am glühend heißen Boden der Glasblase an und die erste Glasmacherpfeife wird abgeschlagen. Der Glasmacher Meister schneidet die Glasblase auf. Dann formt er den Rand des Krugs auf und formt die Schnauze (Tülle) mit einfachsten Werkzeugen aus Metall von Hand und nach Augenmaß.
Das hört sich einfach an, aber es geschieht alles im glutheißen Zustand. Immer wieder muss das Werkstück aufgewärmt werden, damit die Temperaturunterschiede beim Zusammenfügen der Glasteile nicht zu groß sind.
Ansetzen des Henkels am Glaskrug
Jetzt fehlt noch der Henkel. Das ist die Arbeit für den Meister. Ein Zuträger bringt eine die heiße Glasmasse für den Henkel zum Meister, der sie am Werkstück anheftet. Der Henkel wird mit Hilfe von verschiedenen Zangen aus Metall gezogen und geformt und an der zweiten Stelle ebenfalls angeheftet. Das alles geschieht im heißen Zustand und alles nach Augenmaß. Der Glasmacher muss die Temperatur des Glaskörpers und des Henkels genau einschätzen. Ist der Temperaturunterschied beim Ansetzten des Henkels an den Glaskrug zu groß, springt das Glas an der Stelle des angesetzten Henkels. Das nennt man einen „Henkelsprung“. Das ist ein typischer Verarbeitungsfehler und sollte nicht vorkommen. Es ist auch ein Reklamationsgrund. Es gehört also sehr große Erfahrung dazu solche Glasgegenstände in guter Qualität herzustellen und natürlich auch ein eingespieltes Team von bis zu fünf Glasmachern.
Diese Techniken der Glasherstellung haben sich über hunderte von Jahren entwickelt. Wir sind froh und stolz zugleich, dass wir solche Gläser noch anbieten können.
Joh. Oertel & Co. Kristallglas
Petra Schütte
P.S. der nächste Beitrag: Den Stiel am Glas anbringen.